Kultur

Verleihung des Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur an Marie Ndiaye

Der vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport vergebene Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur geht dieses Jahr an die französische Autorin Marie NDiaye. Am Freitag, den 28. Juli 2023 wurde der Preis im Rahmen der Salzburger Festspiele am Mozarteum übergeben.
Das Institut français d'Autriche gratuliert herzlich!

Marie Ndiaye erhält den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur

 

(c) BMKÖS

Kunst-und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer beteuert: „Ich freue mich, dass [...] Marie NDiaye diesen Preis erhält, zählt sie doch seit vielen Jahren zu den unangefochtenen Größen der Gegenwartsliteratur

Die in Frankreich lebende Marie NDiaye wurde in den höchsten Tönen gelobt, denn ihre facettenreichen Romane zeugen von kritischen Gegenwartsanalysen, die nicht nur eine europäische, sondern auch eine afrikanische Perspektive zeigen, Frau NDiaye hat senegalesische als auch französische Wurzeln und wurde 1967 im französischen Pithiviers geboren. 

Bereits in jungen Jahren entwickelte NDiaye die Leidenschaft für das Lesen und widmete sich ab dem Alter von 12 Jahren dem Schreiben: "Ich hoffte, dass sie mich vor dem wirklichen, gewöhnlichen Leben retten würde, das mir so schrecklich erschien. Es sollte mich zu etwas Besonderem, ja sogar Einzigartigem machen. Als Kind hatte ich das Gefühl, unsichtbar zu sein. Ich hoffte, ohne dass es mir bewusst war, dass das Schreiben mich sichtbar machen und mich gleichzeitig schützen würde."

Mit 17 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Roman; weitere Werke, darunter auch Theaterstücke, folgten. Identität und Klassenkonflikte, Gewalt und Geheimnisse sowie bröckelnde Fassaden der Gesellschaft kennzeichnen ihre Romane. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise, u. a. den Prix Goncourt 2009 als erste schwarze Frau, für den Roman ”Trois Femmes puissantes” / “Drei starke Frauen”, der von schwarzen Protagonistinnen handelt, die zwischen Afrika und Europa hin- und hergerissen sind. Zudem war NDiaye zweimal für den Man Booker International Prize nominiert. Außerdem: Prix Marguerite-Yourcenar für das Lebenswerk 2020 (Nominierung).

Ihr 12. Roman  “La vengeance m'appartient" / "Die Rache ist mein”, der 2021 erschienen ist, vermengt Realität und Halluzination. Die Protagonistin Maître Susane, die sich aus niedrigem sozio-ökonomischen Umfeld zu einer Rechtsanwältin etabliert hat,  trifft ihre Vergangenheit wieder : Es ist der Klient Gilles Prinicpaux, dessen Frau die eigenen drei Kinder in der Badewanne ertränkt haben soll.. 
Im Haus der Principaux lernte die zehnjährige Susane, die damals ihre Mutter dorthin zur Arbeit begleitet hatte, den 14-Jährigen Gilles kennen. Was hinter verschlossenen Schlafzimmertüren mit ihm passierte, bleibt für Susane ein Enigma. Wer ist Gilles Principaux wirklich? - Ihre Erinnerung ist verblasst.  Die Vergangenheit der Protagonistin als auch der kolonialen Geschichte Frankreichs, insbesondere Bordeaux, die Stadt, in der der Roman spielt, stehen im Zentrum des Werkes, ebenso wie Identitäts- und Klassenkonflikte.  

Die Rache ist mein - Roman 2021

(c) Suhrkamp

Laudatorin Anne-Catherine Simon des österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur: „Das Fremde als das Sonderbare nistet in ihren zwölf Romanen, in ihren Erzählungen und Theaterstücken. Es tränkt alles, durchdringt alles in ihrem Werk.“

Der Preis wird seit 1965 für das literarische Gesamtwerk einer europäischen Autorin bzw. eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung fand. Das Werk muss dazu auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Dieses Jahr bestand die Jury aus: Anna Kim, Anette Knoch, Norbert Mayer, Teresa Präauer und Robert Renk.

Jurybegründung:

“Marie NDiaye kann zurecht als Star der französischen Gegenwartsliteratur bezeichnet werden. Ihre Wirkung reicht jedoch weit darüber hinaus. Sie hat Europa wörtlich genommen erfahren, lebte mit ihrer Familie auch viele Jahre in Spanien, Italien, den Niederlanden und Deutschland. Es dürften prägende Aufenthalte gewesen sein, wie man ihren Texten entnehmen kann. Bereits als Teenager veröffentlichte sie 1985 ihren ersten Roman. Seither hat sie eine Fülle an Werken geschaffen, vor allem Prosa, aber auch Dramen, Drehbücher und Essays, die immer wieder bestätigen: Sie gehört längst schon zu den Besten unserer Zeit. Diese Autorin ist stilistisch brillant, eine Meisterin der Figurenzeichnung. Sie schlägt ihr Publikum mit raffinierten Erzählweisen in Bann, lässt immer wieder Abgründe erahnen. Manche ihrer Texte lesen sich wie Horror-Thriller. Entfremdung, familiäre Beklemmungen und entsprechende Ausbruchversuche sind wiederkehrende Motive bei ihr.” 

Marie Ndiaye erhält den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur

(c) BMKÖS

Zuletzt ging der Preis an Mircea Cărtărescu, Andrzej Stasiuk, Karl Ove Knausgård, Zadie Smith, Michel Houellebecq, Drago Jančar, László Krasznahorkai und Ali Smith. Seit 1965 wird der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur vergeben, französische Schriftsteller*innen sind dabei nicht schlecht vertreten: Eugène Ionesco (1970), Simone de Beauvoir (1978), Margerite Duras (1989) , Patrick Modiano (2012) , Michel Houellebecq und nun zuletzt Marie NDiaye (2023). Kommen Sie ab 1. September in unsere Mediathek und genießen Sie die französische als auch frankophone Vielfalt! 

 Hier finden Sie weitere Informationen zum Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur.